
Warum ich heute meinen Körper liebe — und warum das nicht immer so war
- Bianca Schilling
- 15. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Lange Zeit habe ich mich in meinem eigenen Körper nicht wohlgefühlt. Ich war gefangen in den Schönheitsidealen, die uns tagtäglich von allen Seiten vorgelebt werden. Überall sieht man straffe Haut, lange, schlanke Beine, einen knackigen Po, dünne Arme und einen perfekten, prallen Busen. Ich hingegen hasste mich oft dafür, dass ich all das nicht hatte.
Es hat Jahre gedauert, bis ich mein schlaffes Bindegewebe, meine Kurven und meine eigenen Proportionen akzeptieren konnte. Heute weiß ich: Genau das macht mich einzigartig. Doch dieser Weg war alles andere als einfach.
Wir Frauen stehen unter einem enormen gesellschaftlichen Druck. Wir sollen Kinder bekommen — aber bitte ohne sichtbare Spuren. Wir sollen reif und erwachsen sein — aber bloß ohne Falten oder graue Haare. Wir sollen immer gut gelaunt, sanft und gleichzeitig sexy wirken. Wir sollen enge, knappe Kleidung tragen und dabei mühelos strahlen — auch wenn der Alltag mit Haushalt, Kindern, Beruf und all den Erwartungen alles andere als glamourös ist.
Meine Arbeit als Therapeutin – ein prägender Blick hinter die Fassaden
Viele Jahre habe ich als Therapeutin in einer Praxis und Klink gearbeitet und vor allem junge Mädchen und Frauen begleitet, die mit ihrem Körper und ihrem Selbstbild kämpften. Ich habe Mädchen gesehen, die in Magersucht oder Bulimie gerutscht sind, weil sie glaubten, nur dann geliebt und gesehen zu werden, wenn sie einem unrealistischen Ideal entsprechen. Ich habe Mädchen und Frauen begleitet, die sich selbst kaum noch spüren konnten, weil sie ihren Körper nur noch als „Baustelle“ betrachteten, die es zu optimieren galt.
In dieser Arbeit habe ich immer wieder erlebt, wie tief der Einfluss von Medien und Gesellschaft wirklich geht. Studien zeigen, dass der ständige Vergleich mit „perfekten“ Körpern zu starken Selbstzweifeln, Angststörungen, Depressionen und Essstörungen führen kann (Grabe, Ward & Hyde, 2008). Besonders soziale Medien haben diesen Druck noch einmal verstärkt (Tiggemann & Slater, 2013).
In meiner therapeutischen Arbeit war es mir immer wichtig, den Mädchen und Frauen einen geschützten Raum zu geben, in dem sie lernen durften, wieder Kontakt zu sich selbst aufzunehmen. Wir haben gemeinsam geübt, den Körper achtsam wahrzunehmen, statt ihn zu verurteilen. Übungen aus der Körperpsychotherapie und achtsamkeitsbasierte Ansätze, wie das sanfte Berühren der eigenen Haut oder das bewusste Atmen in Anspannungszonen, waren oft heilsame erste Schritte.
Auch das Thema Selbstmitgefühl spielte eine große Rolle. Studien (Neff, 2003) zeigen, dass Menschen, die lernen, sich selbst mit Mitgefühl statt mit Härte zu begegnen, weniger unter Körperhass und Scham leiden. Sie entwickeln ein stabileres Selbstwertgefühl und können besser mit Rückschlägen umgehen.
Mein persönlicher Weg
Diese Erfahrungen mit meinen Klientinnen haben mich tief geprägt — und gleichzeitig haben sie mir geholfen, meinen eigenen Körper mit anderen Augen zu sehen. Ich habe erkannt, dass meine Dehnungsstreifen, mein weiches Gewebe, meine Falten und all die vermeintlichen „Makel“ Spuren eines gelebten Lebens sind.
Heute bin ich nicht mehr in der Art therapeutisch tätig. Doch all das, was ich damals lernen durfte — über Körper, über Scham, über Heilung — trage ich weiter in mir. Es hat meinen Blick auf mich selbst und auf andere Frauen nachhaltig verändert.
Der tägliche Vergleich
Gerade auf Plattformen wie Instagram begegnen uns ständig scheinbar makellose Körper und Gesichter. Der Vergleich passiert fast automatisch — selbst ich ertappe mich immer wieder dabei. In solchen Momenten hilft es mir, innezuhalten, meine Kinder anzusehen und mir bewusst zu sagen: Ich bin gut so, wie ich bin.
Mein Wunsch für uns alle
Ich wünsche mir von Herzen, dass wir Frauen (und auch Männer) wieder lernen, unseren Körper mit liebevollen Augen zu betrachten — nicht nur oberflächlich, sondern tief in uns. Wir sind so viel mehr als Maße, Kurven oder glatte Haut. Wir sind stark, sinnlich, weich, kraftvoll, verletzlich — und vor allem: Wir sind genug.
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